Warum die Digitalisierung in vielen Industrie-Unternehmen nur langsam vorankommt

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Häufig stehen digitale Vorreiter und Praxisbeispiele der erfolgreichen Digitalisierung in Unternehmen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Eher weniger hört man von Unternehmen, deren Digitalisierungsmaßnahmen nur langsam vorankommen oder die sich gar bewusst gegen Digitalisierungsaktivitäten entscheiden. Eine BMBF-geförderte Expertise untersucht diese „Blinden Flecken der Umsetzung von Industrie 4.0“ und analysiert die Hemmnisse und Gründe, die Digitalisierungaktivitäten einschränken können. Wir haben die wichtigen Erkenntnisse daraus zusammengefasst.

Hemmnisse der Digitalisierung aus Unternehmens- und Verbandssicht

Für die Untersuchung wurden neben einer Literaturanalyse auch semistrukturierte Interviews mit Ansprechpersonen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie produzierenden Unternehmen geführt. Die Auswertung der Interviews zeigt, dass Unternehmen in der Umsetzung von Industrie 4.0 sowohl strategische als auch operative Hemmnisse zu schaffen machen.

  • Strategisch hemmt oft ein fehlender Startimpuls die Digitalisierung. Ursachen dafür sind eine fehlende Digitalisierungsaffinität im Management sowie eine positive ökonomische Situation der Unternehmen, wodurch es an Leidens- und Veränderungsdruck fehlt. Unternehmen, auf die diese Beschreibung zutrifft, können auch allgemein den Anschluss an wichtige Innovationen ihrer Branche zu verlieren drohen.
  • Für mangelnde Strategiefähigkeiten sorgen oft fehlendes Wissen über die Digitalisierungsmöglichkeiten, fehlende Handlungsmöglichkeiten z. B. aufgrund von Abhängigkeiten von anderen Unternehmen oder zu langen Amortisationszeiten. Auch ein unklarer wirtschaftlicher Nutzen von Maßnahmen hemmt die Strategieentwicklung.
  • Nachvollziehbare und bewusste Entscheidungen gegen Digitalisierung werden vor allem wegen fehlender Rentabilität getroffen. Konkret können beispielsweise ein hoher Aufwand beim Betrieb eines integrierten IT-Systems oder ein hoher Implementierungsaufwand bei der Digitalisierung bestehender Anlagen den Nutzen übersteigen. Bei einigen Unternehmen, bei denen Daten Kern des Geschäftsmodells sind, führen auch Datenschutz- und Datensicherheitsbedenken zu einer bewussten Entscheidung gegen einige Digitalisierungsmaßnahmen.
  • Interne Umsetzungsprobleme sind für nahezu jedes Unternehmen von Bedeutung. Dazu zählen fehlende Kompetenzen und Kapazitäten in der Belegschaft. Es mangelt an Fachkräften mit digitalem Kompetenzprofil oder sie können besonders von kleineren Unternehmen nicht gewonnen werden. Außerdem mangelt es in vielen Unternehmen an einer Digitalkultur, an Offenheit der Belegschaft oder auch an Daten in ausreichender Qualität und finanziellen Ressourcen
  • Unzureichende externe Rahmenbedingungen für die Unternehmen werden in der Studie deutlich häufiger von Verbänden als von Unternehmen genannt. Dazu zählen eine unzureichende und unübersichtliche Förderlandschaft mit zu hohem Beantragungsaufwand, gesetzliche Beschränkungen und Rechtsunsicherheit, unzureichender Breitbandausbau sowie fehlende Standards und Normen.

Handlungsoption zur Förderung von Digitalisierung in Unternehmen

Weiter in der Expertise werden auf den Ergebnissen aufbauende Handlungsoptionen für Politik, Unternehmen und weitere Akteure formuliert.

  • Eine ausgeprägte Digitalisierungskultur muss jedes Unternehmen auf allen Ebenen etablieren. Dabei müssen alle – auch kritisch eingestellte – Mitarbeitende einbezogen werden. Umfassende Kommunikation ist dabei entscheidend.
  • Bildung und Weiterbildung zu Digitalisierung muss integraler Bestandteil jedes Berufs und jeder Berufsausbildung werden.
  • Verantwortlichkeit im Unternehmen – Digitalisierung erfordert eine klare Gesamtstrategie als Rahmen des Unternehmens, an dem Digitalisierungsmaßnahmen ausgerichtet werden können. In erfolgreich digitalisierten Firmen wird Digitalisierung zudem auf oberster Managementebene vorangetrieben.
  • Neue Verfahren zur bereichsübergreifende Nutzenbewertung digitaler Lösungen werden gebraucht.
  • Die staatliche Förderlandschaft sollte einen stärkeren Fokus auf die Umsetzung digitaler Anwendungen und für Nachzügler-Unternehmen den bürokratischen Aufwand zur Beantragung senken
  • Ein gesamtwirtschaftliches Innovationsumfeld soll den Unternehmen beim Erkennen und Umsetzen digitaler Trends unter Beachtung europäischer Datenschutzstandards helfen. Es braucht zudem mehr Initiativen wie etwa GAIA-X.

Weitere Zusammenfassungen von relevanten Studien, Umfragen und mehr finden Sie unter Zahlen Daten Fakten.

 

Beitrag veröffentlicht am 29. März 2022 und zuletzt aktualisiert am 1. Juni 2022.