Studie zeigt Lage der Digitalen Souveränität der Wirtschaft und Handlungsfelder

Mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung bei digitalen Technologien in Deutschland und Europa ist eine Problematik, die in den letzten Jahren vermehrt öffentlich diskutiert wurde. So etwa bei der Regulierung von monopolartigen Plattformmärkten aus den USA oder bei den Sicherheitsbedenken zur Beteiligung von Huawei am Aufbau des 5G-Mobilfunks. Auch bei geopolitischen Handelskonflikten und im globalen Wettbewerb um Technologieführerschaft geht es um Digitale Souveränität. 

In einer aktuellen Studie des ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung), herausgegeben vom BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), wird das Konzept „Digitale Souveränität“ aus der Wirtschaftsperspektive anhand einer Literaturübersicht und einer repräsentativen Unternehmensbefragung untersucht. Dabei geht es um die Lage der digitalen Souveränität in Deutschland und Europa und wo die Handlungsfelder für Wirtschaft und Politik sind. Wir stellen die wichtigsten Aussagen vor. 

Abhängigkeiten zu Anbietern sollten vermeidbar sein 

Für eine digital souveräne Wirtschaft sind zwei Aspekte in der Fachliteratur zentral:

  1. Zugang zu geeigneten digitalen Technologien und Daten. Dazu müssen die Technologien entweder im eigenen Land produziert werden oder der Zugang auch in Krisen abgesichert sein. Dafür braucht es entsprechende Herstellungs- und Entwicklungskompetenzen. Diese sind auch von Bedeutung, um Digitalisierung der Wirtschaft nach europäischen Recht- und Wertvorstellungen zu gestalten.
  2. Ziel ist explizit nicht die vollständige Autarkie (wirtschaftliche Unabhängigkeit) durch ausschließlich inländische Produktion oder auch nicht vollständige Autonomie (politische Unabhängigkeit). Vielmehr geht es bei digitaler Souveränität darum, die digitale Transformation nach eigenen Wünschen selbstbestimmt und frei zu gestalten. Für ein Unternehmen heißt das auch konkret entscheiden zu können, inwieweit man eine Abhängigkeit zu Anbietern und Partnern eingeht oder vermeidet.

Unternehmensbefragung zeigt gemischtes Bild

  • Nur die Hälfte der Unternehmen kennt den Begriff der digitalen Souveränität.
  • Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen messen dem Thema langfristig hohe Bedeutung bei, für den Erfolg des eigenen Unternehmens und für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Aktuell wird das Thema hingegen nur wenig berücksichtigt. 
  • Datenhoheit bzw. Datensouveränität wird von fast allen Unternehmen als besonders wichtig für das eigene Unternehmen angesehen.
  • Mehr als 80 Prozent der Unternehmen fühlen sich in mindestens einem der vorgegebenen Technologiefelder etwas oder stark abhängig von außereuropäischen Anbietern. Hervorstechen hier die Bereiche Hardware/Infrastruktur und Software/Anwendungen.
  • 19 Prozent der Unternehmen im verarbeiteten Gewerbe und 16 Prozent in der Informationswirtschaft sehen sich sogar in allen vorgegeben Technologiefeldern als etwas oder stark abhängig von außereuropäischen Anbietern. Als Gründe werden mangelnde europäische Alternativen sowie technologische Überlegenheit des aktuellen Anbieters genannt.

Befragt wurden insgesamt 1219 Unternehmen aus der Informationswirtschaft und dem Verarbeitenden Gewerbe mit jeweils mehr als vier Beschäftigten. Für diese Wirtschaftszweige sind die Daten repräsentativ hochgerechnet. 

Handlungsfelder für Wirtschaft und Politik

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Befragung und bestehenden Literatur zeigen die Forschenden auf, wo und wie Unternehmen und Politik die digitale Souveränität erhalten und stärken können:

Informieren und Sensibilisieren 

  • Informationslage verbessern durch Aufklärungs- und „Übersetzungsarbeit“ zum Konzept der Digitalen Souveränität und Lösungsstrategien wie z. B. GAIA-X, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen durch beispielsweise Zentren von Mittelstand-Digital 
  • Sensibilisierungsmaßnahmen auf Unternehmensebene sind nicht nur für Entscheidungsträger, sondern auf allen Beschäftigungsebenen relevant
  • Stärkung von Vertrauen und Akzeptanz insbesondere zur Datensicherheit für Unternehmen und Endanwender durch Transparenz und Nachvollziehbarkeit, indem konkrete überprüfbare Vorgaben und Einführung von Gütesiegeln zu Sicherheitseigenschaften von IT-Produkten

Monitoring und Risikoanalyse

  • Entwicklung eines Indikatorsets als Grundlage für künftige Maßnahmen. Dieses kann u. a. Abhängigkeiten von Staaten und Bewertung von Risiken beinhalten. Zusätzlich sinnvoll sind Methoden der strategischen Vorausschau auf Veränderungen durch Technologien und Anbieter auf Märkte und Gesellschaft
  • Unternehmen hilft eine kritische Bestandsaufnahme der genutzten digitalen Technologien und deren Anbieter, außerdem den Markt nach neuen (EU)-Anbietern zu scannen und ggf. zu wechseln sowie bei kritischen Abhängigkeiten das Lieferantennetzwerk zu diversifizieren 

Technologie- und Datensouveränität fördern

  • Weitere Investitionen in Entwicklung und Produktion deutscher und europäischer Zukunftstechnologien wie Quantencomputer, KI und IT-Sicherheit sind wichtig, um international Anschluss zu behalten. Dies ermöglicht, den Zugang zu relevanten Technologien und Daten als „Verhandlungsmasse“ durch wechselseitige Abhängigkeitsbeziehungen abzusichern. 
  • Eine erfolgreiche Umsetzung und die Marktakzeptanz von GAIA-X sind ebenso wichtig, wie verstärkte Entwicklung und Förderung von Open Source Lösungen, um ungünstigen Abhängigkeiten und Lock-in-Effekten entgegenzuwirken. Wichtige Hebel sind dabei öffentliche Ausschreibungen und Beschaffungen.

Digitale Kompetenzen aufbauen

  • Enormer Handlungsbedarf besteht beim Erwerb von grundlegenden und fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Empfohlen werden niedrigschwelliger Zugang zu Weiterbildungsangeboten, Erleichterungen beim Kompetenzerwerb, Förderung von MINT-Studiengängen, Steigerung des Frauenanteils, digitale Fähigkeiten in der beruflichen Ausbildung, Zugang zu Informationen, welche Weiterbildungen und Kompetenzen wichtig sind und wie Quereinstiege gelingen können
  • Unternehmen sollten hier ihre Weiterbildungsaktivitäten ausbauen und innovative Tools nutzen, um den Kompetenzerwerb zu erleichtern oder zu verbessern oder auch Bedarfe zu erkennen, etwa mit Kompetenzmanagementtools.

In der Langfassung der Studie wird ausführlich auf einzelne Technologiebereiche eingegangen. 

Quelle: Schwerpunktstudie Digitale Souveränität – Bestandsaufnahme und Handlungsfelder

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